Der Chef der Regionalregierung von Katalonien hat keine Neuwahlen ausgerufen, sondern erneut die Zentralregierung in Madrid zum Dialog aufgefordert.
Am Abend erklärte Carles Puigdemont von seinem Amtssitz aus: “Meine Pflicht als Präsident und meine Verantwortung bestehen darin, alle Wege auszuschöpfen, um eine Lösung durch den Dialog zu finden für einen dramatischen politischen Konflikt. Sie wissen, dass ich bereit war, Neuwahlen anzusetzen, solange es garantiert wurde, dass diese normal und ordnungsgemäß ablaufen. Aber nichts rechtfertigt heute das Anberaumen von Neuwahlen.”
Gleichzeitig hat die Vizeregierungschefin vor dem Senat in Madrid erklärt, warum sie Artikel 155 für gerechtfertigt hält – nämlich weil die Gesetze und die Verfassungsmäßigkeit auch in Katalonien gelten müssten.
Vor der “Generalitat” in Barcelona protestieren die Anhänger der Unabhängigkeit von Katalonien. Drinnen sollte es eine Sitzung des Regionalparlaments um 17 Uhr geben – in dieser sollte auch Carles Puigdemont, der Regierungschef von Katalonien sprechen. Was er sagen wollte, war vorher völlig ungewiss.
Die euronews-Korrespondentin in Barcelona hatte schon zuvor erfahren, dass Carles Puigdemont um 17 Uhr von seinem Amtssitz aus eine Rede halten wollte. Dort verhandelte er seit 16 Uhr mit seinen Partner von der linke Partei ERC, besser gesagt mit deren Vorsitzenden Oriol Junqueras. Die ERC, die für die Unabhängigkeit von Katalonien eintritt, hat damit gedroht, die Koalition mit Puigdemont zu verlassen.
Zuvor hieß es, der Chef der katalanischen Regierung setze auf Neuwahlen. Diese sollten am 20. Dezember stattfinden. Das berichteten spanische Medien – darunter “La Vanguardia” aus Barcelona.
Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy hatte einen direkten Dialog mit Carles Puigdemont zur Krise in Katalonien abgelehnt und hart reagiert, da er das Referendum vom 1. Oktober 2017 für verfassungswidrig hält. Diese Sicht teilt das spanische Verfassungsgericht.
Ministerpräsident Rajoy hatte zuvor Neuwahlen in Katalonien als einen Ausweg aus der seit einem Monat andauernden Krise angedeutet. Er setzt offenbar auch darauf, dass die Gegner der Unabhängigkeit von Katalonien mehr Stimmen erhalten könnten. Seit die Katalonien-Krise sich verschärft hat, haben zahlreiche Unternehmen ihre Firmensitze aus Barcelona oder anderen großen Städten in andere Regionen verlegt.
Katalonien ist und bleibt sicher ein beliebtes Reiseziel. Doch das deutsche Konsulat in Barcelona bekommt in letzter Zeit häufiger Anfragen von Reisenden, wie sie sich verhalten sollen. Das Auswärtige Amt in Berlin spricht von einer «volatilen und angespannten» Lage in Katalonien. Touristen wird empfohlen, größere Menschenansammlungen zu meiden.
Die Zeitung “El Pais” berichtet auch auf Englisch über die aktuelle Entwicklung in der Katalonien-Krise. An diesem Donnerstag wurde auch die Internetseite von “El Pais” gehackt, die Gruppe “Anonymous” hatte am Wochenende die Internetseite des spanischen Verfassungsgerichts lahmgelegt.
Puigdemont delays press conference by one hour pic.twitter.com/IV92LyOBsJ— Jessica Jones (@jessicajones590) October 26, 2017
A group of hackers has directed a coordinated series of DDoS attacks against the digital platform of el_pais https://t.co/gHGEcRoCM9— Simon Hunter (simoninmadrid) October 26, 2017