Unvorhersehbar, völlig offen! Die Wahl zum britischen Unterhaus im Mai gilt als die spannendste Abstimmung in Europa im Jahr 2015. Auch weil ihr Ausgang einen Austritt der Briten aus der EU befördern könnte. Wahlforscher sind ratlos.
Zwar dürfte das Wahlsystem die erklärten Europagegner der Partei UKIP klein halten – sollte das Wahlergebnis aber zulassen, dass Premierminister David Cameron sein eigener Nachfolger in der Downing Street wird, dann gibt es 2017 ein Referendum.
So mancher Exporteur findet die EU gar nicht so übel.
Will Butler-Adams, Brompton Fahrräder, Brentford, Middlesex:
“Handeln ist einfacher, mit weniger Papierkram. Wir betreiben Handel mit vielen Teilen der Welt, wo das eine echte Plage ist. Weniger von diesem Frust, dieser Desorganisation, dieser unterschiedlichen Preisgestaltung in verschiedenen Ländern, noch dazu bei unseren größten Handelspartnern, das ist echt positiv.”
“Soll Großbritannien aus der EU austreten?” – diese Frage der geplanten Volksabstimmung beantwortet Cameron selbst zwar mit “nein” – unter veränderten Rahmenbedingungen nach harten Verhandlungen in Brüssel. Und…
Justin Urquhart Stewart, Seven Investment Management, London:
“...wenn wir austreten, wäre das eher schlecht für den Finanzplatz London. Möglich, dass uns die EU nervt. Aber wenn du einen Club umkrempeln willst, musst du in dem Club drin bleiben. Sonst läuft das Geschäft ohne dich.”
Anyway. Zu Hause schürt Cameron anti-europäische Ressentiments.
Meinungsforscher sehen die UKIP-Eurokritiker um ihren
populistischen Parteichef Nigel Farage derzeit bei über 20 Prozent. Bei zwei Nachwahlen konnten Überläufer der Konservativen bereits für UKIP Parlamentssitze gewinnen.
Und die schottischen Nationalisten, bisher nur mit sechs Abgeordneten in Westminster vertreten, könnten künftig knapp 50 Parlamentarier nach London schicken. “Das gescheiterte Unabhängigkeitsreferendum in
Schottland hat die politische Landkarte Großbritanniens verändert”, so die Meinungsforscher von Electoral Calculus.
Wegen der zu erwartenden herben Verluste der in der Regierungskoalition bis zur Bedeutungslosigkeit aufgeriebenen Liberaldemokraten um Parteichef Nick Clegg droht im Parlament ein kunterbunter Flickenteppich zu entstehen.
Nach einer Umfrage des Instituts “Opinion Way” ist die Mehrheit der Briten inzwischen für den Austritt.
su mit Reuters, dpa