Sanktions-Spirale: "Firmen müssen entscheiden, ob sie in Russland bleiben wollen"

2014-09-12 5

“Wir erleben sehr deutlich in Russland, dass Aufträge an unsere Firmen entweder nur verzögert erteilt werden, oder mit einem höheren bürokratischen Aufwand,” sagt der Präsident der deutsch-russischen Auslandshandelskammer, Rainer Seele. Viele Aufträge gingen nicht mehr nach Deutschland, sondern an Wettbewerber, besonders aus Asien.

Trotzdem weitermachen? Vielen deutschen Exporteuren bleibt gar nichts anderes übrig.

Fast ein Drittel der Gesamtexporte der EU nach Russland kommt aus Deutschland. Und Russland ist für die deutsche Wirtschaft der 11größte Exportmarkt – das Land kaufte im vergangenen Jahr im Wert von 36 Milliarden Euro ein.

Für die EU insgesamt schwächt sich das Bild etwas ab: Die EU nimmt mehr als 45% der russischen Exporte ab. Aber weniger als 3% der Exporte aus der EU gehen nach Russland.

su

Wie wirken sich die Sanktionen und Gegensanktionen auf die europäischen Betriebe in Russland aus? Eine Einschätzung des russischen Wirtschaftsexperten Sergej Sumlenny.

Natalia Marshalkovich, euronews:
“Sergej Sumlenny ist Sprecher von “Russia Consulting”. Das Unternehmen hilft deutschen Geschäftsleuten, sich auf dem russischen Markt zurechtzufinden.
Die Sanktionen werden schärfer. Was sollten westliche Firmen beachten, wenn sie weiter in Russland arbeiten wollen?”

Sergej Sumlenny, Russia Consulting:
“Wenn westliche Unternehmen weiter in Russland arbeiten wollen, müssen sie einige sehr einfache Schritte vornehmen. Zu allererst müssen sie alle ihre Business-Kontakte überprüfen.
Die US-amerikanischen und europäischen Sanktionen verbieten jeden geschäftlichen Kontakt mit Unternehmen der Sanktionsliste wie auch mit deren Tochterfirmen.
Deshalb muss der ausländische Betrieb in Russland die Eigentümerverhältnisse jedes Unternehmens überprüfen, mit dem er Geschäfte macht: Zulieferer, Kunden, Partner usw. Er muss prüfen, ob sie direkt oder indirekt auf der schwarzen Liste stehen.”

Natalia Marshalkovich, euronews:
“Das bedeutet, dass westliche Unternehmen unter den Sanktionen ihre Vorgehensweise ändern müssen. Führt das Ihrer Meinung nach zu einem Rückgang der Betriebe auf dem russischen Markt?”

Sergej Sumlenny, Russia Consulting:
“Es betrifft natürlich die Firmen, die in Bereichen arbeiten, die am meisten von den Sanktionen betroffen sind. Zum Beispiel die deutschen Firmen, die militärische Ausrüstung liefern. Oder, wenn es um Technologien zur Ölgewinnung geht.
All diese Felder sind von den Sanktionen betroffen. Die Firmen müssen ihre Arbeitsweise überdenken und entscheiden, ob sie in Russland bleiben wollen.
Es sollte klar sein, dass die Sanktionen sich nur auf eine relativ kleine Anzahl von Betrieben erstrecken. Die meisten deutschen Betriebe in Russland verkaufen Werkzeugmaschinen oder bieten Dienstleistungen an. Das fällt nicht unter die Sanktionen. Sie werden ihre Arbeit fortsetzen, aber sie könnten sicherlich ihre geschäftlichen Kontakte überprüfen.
Deutsche und europäische Unternehmen werden weiterhin in Russland arbeiten, denn für sie ist es ist ein attraktiver Markt.
Diese Sanktionsspirale, die sich vor unseren Augen abspielt, führt zu einem Ungleichgewicht in den Geschäftsstrategien. Eine große Anzahl von Unternehmen hat schon ihre Investitionsprojekte in Russland eingefroren. Die Betriebe sind mit ihren Geldern zurückhaltender geworden.
An ihren Langzeit-Zielen halten sie jedoch fest. Die meisten deutschen Betriebe in Russland sind mittelständische Unternehmen. Etwa 6.000 deutsche Unternehmen arbeiten mittlerweile in Russland. Sie planen auf lange Sicht, es geht nicht um die kommenden Monate oder um ein Jahr. Ihre Strategie betrifft mehrere Jahre, selbst Jahrzehnte. Und auf lange Sicht bleiben diese Unternehmen in Russland.”

Natalia Marshalkovich, euronews:
“Die europäischen Sanktionen führen zu so genannten russischen Gegen-Sanktionen. Wie wird das die Bereitschaft der Europäer beeinflussen, weiter auf dem Markt präsent zu sein?”

Sergej Sumlenny, Russia Consulting:
“Sanktionen bleiben nie unbeantwortet. Derzeit befinden wir uns in einem Teufelskreis, einer regelrechten Sanktionsspirale. Die russischen Behörden haben schon angekündigt, dass sie auf die europäischen Sanktionen reagieren werden. Wenn Europa daraufhin neue Sanktionen verhängt, könnte die Situation für den Handel noch schwieriger werden. Für den Handel wäre es sehr ungünstig, würden die Sanktionen sich ausweiten und sich mehr und mehr auf das Investitionsklima auswirken.”